Workshop 3
Zusammenfassung der Ergebnisse des 3. MINT.ub Workshops
Bereits zum dritten Workshop „MINT-Umweltbildung (MINT.ub) in Schülerlaboren“ waren am 14. Juni 2016 die Schülerlabore von LeLa nach Osnabrück in das Zentrum für Umweltkommunikation (ZUK) der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) eingeladen. Der Workshop diente dem intensiven Kennenlernen und dem weiteren Netzwerken zwischen den Schülerlaboren im Bereich der MINT.ub.
Drei Impuls-Vorträge, die MINT.ub bzw. den Übergang zur Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) von verschiedenen Winkeln beleuchteten, ein Vortrag mit den Daten und Fakten aus der diesjährigen Umfrage zu den MINT.ub-Angeboten der Schülerlabore sowie eine moderierte Postersession, bildeten die wesentlichen Programmpunkte des Workshops. Zum Schluss wurde über die weitere Workshoparbeit beraten und Perspektiven dieser Arbeit bis zur nächsten Jahrestagung diskutiert.
Vortrag Singer-Brodowski
Begonnen wurde der Workshop mit einem Vortrag über „Transformative Literacy – Theoretische und praktische Perspektiven zum Lernen für die Transformation in Schülerlaboren“ von Dr. Mandy Singer-Brodowski (Zentrum für Transformationsforschung und Nachhaltigkeit – TransZent, Wuppertal). Die Referentin machte deutlich, dass die große Transformation zu mehr Nachhaltigkeit stattfinden muss, „by design“ (also geplant) oder „by desaster“ (oder ungeplant). Experten sind sich darüber einig, dass es für die Zukunft der Menschheit keine Alternative dazu gibt. Häufig sind es plötzlich auftretende Ereignisse, wie z.B. Fukushima, die zu Aktionen für mehr Nachhaltigkeit führen, z.B. die Energiewende. Hierbei sind die eigentlichen Akteure die Techniker für Erneuerbare Energien, durch die die Innovationen entstehen. Sie sind die Pioniere des Wandels („Change Agents“). Diese trifft man unter anderem in den Schülerlaboren, da dort, häufig im Kleinen, die Ideen entwickelt und umgesetzt werden. Auch eignen sich die Schülerlabore sehr dafür, die Selbstwirksamkeit von Jugendlichen durch die eigenverantwortliche und kontextorientierte Arbeit zu fördern.
Singer-Brodowski erklärt, dass für BNE drei Arten von Wissen notwendig sind: Systemwissen, Zielwissen und Transformationswissen.
Das SYSTEMWISSEN bezieht sich auf mehr oder weniger komplexe Systeme, äußere Bedingungen oder kulturelle Zusammenhänge. Nicht-nachhaltige Probleme können dadurch erkannt werden. Nötig seien dafür auch interdisziplinäre Sichtweisen über die Funktion dieser Systeme. Als Beispiel nannte sie den Städtebau und darin das Phänomen, dass in manchen Städten Autofahrer offenbar keine Radfahrer kennen. Darauf muss man bei der Planung von Verkehrsinfrastruktur, Nahverkehr etc. Rücksicht nehmen.
Das ZIELWISSEN entwickelt Visionen und fragt sich dabei, wie die Ziele erreicht werden können. Also wie könnte eine nachhaltige Stadt aussehen? Hier werden Narrative als Antrieb für gesellschaftliche Veränderungen eingesetzt. Dazu gehört natürlich nicht nur das rein Technisch- Planerische, sondern vorher auch die Diskussion über unterschiedliche Werte mit den verschiedenen Interessensgruppen, Bevölkerungsschichten etc.
Das TRANSFORMATIONSWISSEN erfordert Verständnis für komplexe Wirkungen in Veränderungsprozessen der Gesellschaft. Lernprozesse können durch Realexperimente in den Systemen angeregt werden. Dadurch können Lösungen getestet und Methoden angepasst werden. Bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitsprojekten müssen also alle Aspekte von den Bedürfnissen der Menschen bis zu denen des Natur- und Umweltschutzes berücksichtigt werden.
Ein großer Vorteil auf dem Weg der Transformation in den Schülerlaboren wäre, wenn die Schülerlabore vermehrt auch soziokulturelle Aspekte in ihre Angebote einfließen lassen würden. Damit können Schülerlabore als Reallabor zur Verfügung stehen und ihre Ergebnisse deutlich stärker in die Öffentlichkeit, also in die Gesellschaft tragen. Als Beispiele nannte Singer-Brodowski, dass Ergebnisse, die von Jugendlichen in den Schülerlaboren erzielt wurden, auch von ihnen veröffentlicht werden. Dass die Jugendlichen in der Bevölkerung Umfragen zu bestimmten von ihnen erzielten Ergebnissen oder Projekten durchführen („Würden Sie ein Handy kaufen, das zwar teurer, aber besser zu recyceln ist, als die heutigen?“). Oder dass Schülerlabore sich vermehrt an sogenannter Citizen Science Projekten beteiligen, bei denen die Bevölkerung sich aktiv an der Erforschung bestimmter Themen beteiligt. In diesem Sinne würden Schülerlabore Teil von Realexperimenten werden können, die für die Umsetzung der großen Transformation in außerschulischen Bildungseinrichtungen von Bedeutung sind.
Vortrag Parchmann
Prof. Dr. Ilka Parchmann vom Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik – IPN, Kiel, setzte mit ihrem Vortrag „MINT.ub: Forschung, Bildung, Veränderung? Schülerlabore unter der (konzeptionell-empirischen) Lupe“ einen kritischen Höhepunkt im Workshop. Ihre zentrale Frage lautete, ob die Schülerlabore aus didaktischer Sicht wirklich besonders geeignet sind, MINT.ub zu vermitteln, wie es das Internetportal www.mint-umweltbildung.de behauptet. Daraus leitet sie die Frage ab, welche Art von Bildung brauchen die Schülerlabore, um im Sinne der Nachhaltigkeit die Ziele der Agenda 2030 zu erreichen (www.bmz.de/de/ministerium/ziele/ziele/2030_agenda/)?
„Unter der (konzeptionell-empirischen) Lupe“ betrachtet seien viele Schülerlabore heute noch ein gutes Stück davon entfernt, MINT.ub optimal vermitteln zu können. Großes Entwicklungspotenzial kann man aber bei vielen Schülerlaboren voraussetzen. Besonders in einer stärkeren Vernetzung mit anderen Bildungspartner (z.B. zu Bildungsregionen oder Bildungslandschaften) sieht sie große Chancen. Vernetzung kommt nicht von ungefähr, sie muss gelernt werden. Hier sollte die Rolle jedes Einzelnen geprüft werden: Der Laborleiter, der Mitarbeiter, der Lehrkräfte. Erfolgreiche Konzepte müssten unbedingt weiter verbreitet werden.
Eine zentrale Frage in den Schülerlaboren sollte auch sein, welche Erwartungen die Lernenden mitbringen. Die in bisherigen Studien ermittelten Ergebnisse zum Interesse der Schüler seien in der Regel zu pauschal. Am IPN wird deshalb seit einiger Zeit ein differenziertes Modell verwendet (Hollande, Dirks), das weiter entwickelt wurde und am Schülerlabor „Kieler Forschungswerkstatt“ umgesetzt wird. Den dafür notwendigen adaptierten Fragebogen stellt Frau Prof. Parchmann gerne auch anderen Schülerlaboren zur Verfügung.
Auch Ilka Parchmann sieht einen wichtigen Schritt in der Weiterentwicklung der Schülerlabore darin, dass vermehrt soziokulturelle Aspekte in die Angebote einfließen. Dies ist in der Forschung heute schon vermehrt zu beobachten, in der Bildung aber in der Regel noch nicht angekommen. Sie berichtet aus einer Umfrage: Den Schülerinnen und Schülern ist durchaus bewusst, dass in einem Schülerlabor (meistens) keine echte Forschung betrieben wird. Aber gerade die Authentizität ist für die Motivation der Schüler wichtig. Wie also können die Labore authentischer werden? Die eingangs kritisch gestellte Frage kann mit einem klaren „Ja, aber“ beantwortet werden: Schülerlabore müssen sich weiter entwickeln, um ihr Potenzial besser zu nutzen, das sie für die MINT-Umweltbildung mitbringen.
Vortrag Hempelmann
Prof. Dr. Rolf Hempelmann gab in seinem Vortrag einen „Überblick über die Schülerlabore in der MINT.ub“, bei dem er vor allem die Ergebnisse der diesjährigen Umfrage von LeLa zu diesem Thema präsentierte. Von 338 angeschriebenen Schülerlaboren haben sich (nur?) 100 Laborleiter an der Umfrage beteiligt. Als besonders interessantes Ergebnis sei erwähnt, dass von den antwortenden Schülerlaborbetreibern etwa gleich viele für ihr Labor sagen, dass die MINT-Umweltbildung Teil des Labor-Konzeptes bzw. keine explizite Zielsetzung des Labors ist. Zehn Prozent der letztgenannte führen aber Kurse zur MINT.ub durch, ohne dies auch für die MINT.ub verortet zu haben. Die bevorzugten Fächer in den MINT.ub Angeboten spiegeln grundsätzlich die allgemeine Fächerverteilung in der Schülerlabor-Szene wider; Physik, Technik und Geowissenschaften zeigen aber erhöhte Anteile bei denjenigen Laboren, die MINT.ub im Angebot haben. Deutliche Unterschiede gibt es bei den Zielgruppen für MINT.ub Angebote. Hier sind die jüngeren Klassenstufen zum Teil bis zu 20% häufiger vertreten, als in der gesamten Schülerlabor-Szene. Auch kann man feststellen, dass die Schülerlabore mit entsprechenden MINT.ub-Angeboten diese in der Regel seit ihrer Gründung im Programm haben, es sich also nicht um einen aktuellen „Trend“ zu nachhaltigen oder Umweltthemen handelt. Dass auch Bildung für Nachhaltige Entwicklung bei den MINT.ub-Angeboten eine Rolle spielt, zeigt die Umfrage deutlich. Die Frage z.B., ob die Technikfolgenabschätzung thematisiert wird, beantworten ca. 80% der MINT.ub-Labore positiv, bei den anderen sind es nur ca. 2/3 positive Antworten. Diese Schülerlabore sind auch deutlich stärker als die anderen in der gezielten Berufsorientierung für Umwelttechnologien engagiert, als andere Schülerlabore. Alle Ergebnisse der Umfrage werden im Herbst 2016 auf dem Internetportal www.mint-ub.de veröffentlicht werden.
Diskussion der Vorträge u.a.
Im Anschluss an die Vorträge gab es Zeit für Diskussionen:
- Einige Teilnehmer merken an, dass sie gerne didaktische Unterstützung für die Ausarbeitung und Umsetzung ihrer Module hätten. Diese ist in der Regel nur bei Schülerlaboren mit entsprechender Verknüpfung zu didaktischen Instituten gewährleistet. Hier sollte das MINT.ub-Netzwerk bzw. LernortLabor helfend eingreifen.
- Der Begriff des Experiments bzw. des Experimentierens sollte, angeregt durch den Vortrag von Mandy Singer-Brodowksi, auch in der Schülerlabor-Szene überdacht werden. Ebenso wie das Labor nicht unbedingt ein Raum mit Abzug sein muss (vergl. Reallabor), ist auch das Experiment nicht immer ein wissenschaftlicher Versuch, der in einem „Labor“ durchgeführt werden muss (vergl. Realexperiment). Hier sollten alle an einer Erweiterung der Begriffe mitarbeiten.
- In vielen Schülerlaboren überwiegt das rezeptive Experimentieren, bei dem die didaktisch entwickelten Kurse/Module von den Schülern in der Regel vollständig nach Anleitung durchgeführt werden oder das geführt forschende Experimentieren, bei dem die Schüler für die Lösung der Problemstellung genügend Informationsmaterial zur Verfügung gestellt bekommen. Es wird angeregt, dass man das Potenzial der Kinder und Jugendlichen noch besser nutzen sollte, indem man ihnen mehr Freiheitsgrade läßt und die Art des Experimentierens daran anpasst. Dieser Vorschlag wird allerdings kontrovers diskutiert, da einige Teilnehmer durchaus auch in kurzzeitigen Hands-On Versuchen mit Anleitung schon einen deutlichen Vorteil gegenüber dem Frontalunterricht in der Schule sehen.
- LeLa wird aufgefordert, verstärkt dahingehend zu arbeiten, dass die Schülerlabor-Besuche in die Lehrpläne mit aufgenommen werden, da alle außerschulischen Angebote das Problem der Institutionalisierung haben. Dies gilt besonders für die Schülerlabore in der MINT.ub und BNE.
Postersession
Die geführte Postersession hatte den Zweck, allen Teilnehmern zu ermöglichen, ihre Angebote zu präsentieren und das Netzwerk um Unterstützung bei speziellen Problemen dieser Angebote zu bitten. Dabei kamen folgende Fragen auf:
- Wir kann man Schülerlabore nachhaltiger gestalten? Transformation zu mehr Nachhaltigkeit der Institution „Schülerlabor“? Sollte man mit gezielten Stolpersteinen im Labor arbeiten?
- Wie realisiert man am besten den gezielten Transfer von guten Modulen in andere Labore?
- Auch die Frage nach einer weiteren, nachhaltigen Förderung der Schüler im Anschluss an einen Laborbesuch wurde thematisiert.
- Die Frage nach mehr Offenheit für die Schüler wurde auch hier gestellt. Wie können Schüler besser einbezogen werden in ein Experiment, das vorwiegend nach den Gesichtspunkten des rezeptiven Experimentierens aufgebaut ist?
- Auch die immer wiederkehrende Frage nach der Finanzierung von neuen Modulen wurde in dieser Postersession gestellt.
- Eine weitere interessante Frage nach der Verwendung von neuen, manchmal auch sehr kostspieligen Materialien in anderen Schülerlaboren wurde gestellt. Speziell ging es dabei um die Verwendung von ionischen Flüssigkeiten, die als ungefährliche Lösungsmittel große Vorteile bieten, aber nur schwer und teuer zu beschaffen sind.
Networking
Im Networking-Teil des Workshops wurde zunächst das Thema der Weitergabe von Modulen an andere Labore aufgegriffen, das im 1. MINT.ub-Workshop bereits besprochen wurde. Hier wurde nur die Furcht vor dem „Wegnehmen“ eigener Arbeiten deutlich: Es würde die Gefahr bestehen, dass beispielsweise große, potente Schülerlabore mit freien Modulen kleinerer Labore mehr Kinder und Jugendlichen von eben diesen kleineren Labore in der Region abziehen könnten, wodurch sich diese kleinen Labore selber schaden würden. Experimentalangebote sollten lieber veröffentlicht werden (z.B. als Schroedel-Heft) und anschließend gezielt auf Anfrage weitergegeben, als generell dem gesamten Netzwerk zur Verfügung gestellt werden. Auch eine Tauschbörse, in der jedes Labor etwas hineingeben muss, bevor es etwas herausnehmen darf, wurde skeptisch gesehen. Dabei spielt auch die Möglichkeit der Lizensierung (OER) keine Rolle für die Schülerlabore.
Wünschenswert wäre eine Liste der vorhandenen Themen z.B. auf der Internetplattform des Netzwerkes, über die man sich informieren kann um dann die Urheber gezielt anzusprechen. Dafür müssen allerdings die Netzwerkmitglieder zunächst ihre Angebote auch im Internetportal listen.
Auf die Frage, was sich das Netzwerk u.a. von der Koordinierungsstelle wünscht, wurde angeregt, dass es gemeinsame Projekte von Schülerlaboren geben sollte. Beispiele könnten sein der Vergleich von DNA-Proben aus verschiedenen Zoos in Deutschland oder eine bundesweite gemeinsame Sammelaktion für Plastikmüll in Gewässern - hierzu gibt es von der Kieler Forschungswerkstatt bereits ausgearbeitetes Material zur Durchführung.
Um die Sichtbarkeit solcher Aktionen und gemeinsamer Projekte zu erhöhen, wurde diskutiert, diese an bestimmten Event-Tagen durchzuführen. Dabei besteht aber die Gefahr, dass sie in der Presse eher untergehen.
Um die Zusammenarbeit der Netzwerkmitglieder weiter zu erhöhen, wurde der Austausch von Lehrerfortbildungen angeregt. Dabei sollen Mitarbeiter eines Labors auf Anfrage in anderen Laboren die eigenen Lehrerfortbildungen durchführen.
Es wird ein eigener Workshop zu MINT.ub-Lehrerfortbildung angeregt. Dieser sollte so gestaltet sein, dass vorher bereits MINT.ub -Themen festgelegt werden (call for sessions). Die Workshop-Teilnehmer suchen sich dann gezielt ihr Thema aus und bearbeiten dieses während des Workshops in themenbezogenen Arbeitsgruppen. Als „Kondensationskerne“ für die Ausarbeitung von Themen haben sich bereit erklärt:
Anke Renger, Biologie trifft Technik, Wildau
Katrin Schöps, Kieler Forschungswerkstatt, Kiel
Nele Marie Scherer, GOFEX, Saarbrücken
Holger Winkler, Lernlabor Wattenmeer, Oldenburg
Diese Kolleginnen und Kollegen werden Arbeitsgruppen leiten, die aus der Ferne arbeiten und die Themen für den Workshop auf der 12. LeLa-Jahrestagung in Würzburg vorbereiten.